Wie das Papiliorama gegen Illegales kämpft

Unterwegs mit Caspar Bijleveld, Leiter Papiliorama

Caspar Bijleveld engagiert sich mit dem Papiliorama für das Belize-Projekt.

Das Naturreservat «Shipstern» ist anderthalbmal so gross wie der Schweizer Nationalpark.

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Tukane und Papageien rufen in den Baumwipfeln, ein Specht klopft rhythmisch an einen Baum und langsam dämmert es. Die Luftfeuchtigkeit beträgt gegen 90 Prozent. Kurz nach sechs Uhr ist Caspar Bijleveld, Direktor des Papiliorama in Kerzers, wach. Der 46-Jährige macht sich allerdings nicht auf den Weg ins Büro im Kanton Freiburg, sondern verlässt das Camp des Naturreservats Shipstern, um einen morgendlichen Spaziergang im Regenwald zu machen. Das Reservat befindet sich im Norden von Belize und wird seit 1989 vom Papiliorama geführt, 1990 kam Bijleveld zum ersten Mal hierher. «Ich habe im Licht von Öllampen gearbeitet, da es noch keinen Strom gab. Aus dieser Zeit habe ich noch immer 200 Briefe, damals die einzige Art zu kommunizieren», sagt er.

«Nur das Papiliorama zu haben, fühlte sich irgendwie nicht richtig an, und wir wollten aktiv zum Naturschutz beitragen», sagt Bijleveld. Es sei Zufall, dass sich das Papiliorama gerade in Belize engagiere. Aber 1989 gab es die Gelegenheit, hier 88 Quadratkilometer Wald zu kaufen. Der semitrockene Wald ist Lebensraum für über 300 Vogelarten, Tapire, Wildschweine, 500 Schmetterlingsarten, Pumas, Ozelots, Jaguare, Jaguarundis und Langschwanzkatzen.

Das Reservat wird von einem Rangerteam überwacht, da immer wieder Wald illegal gerodet wurde oder Wilderer ihr Unwesen trieben. Vor vier Jahren kam die Anerkennung von der Regierung, indem dem «Shipstern» die Steuern erlassen wurden. Ausserdem wurde dem Shipstern offiziell auch die Führung von zwei weiteren Reservaten übertragen, die der Regierung selber gehören. Die drei Parks wurden unter dem Namen «Corozal Sustainable Future Initiative» (CSFI) zusammengeführt. Mit 235 Quadratkilometern ist es anderthalbmal so gross wie der Schweizer Nationalpark in Graubünden. Pro Jahr kostet der Betrieb laut Bijleveld 320'000 Franken, die massgeblich von Gönnern aus dem Papiliorama und dem Burgers Zoo in Holland beigesteuert werden. «Das Belize-Projekt ist nur dank unseren Spendern möglich, und es gibt Leute, die seit 15 Jahren eine Patenschaft haben», sagt Bijleveld.

Trotz der Namensänderung nennen es die Einheimischen noch immer «Mariposa», Schmetterling. «Anders als in Kerzers stehen Schmetterlinge hier eigentlich nicht im Zentrum, aber weil sie angesiedelt wurden, wollen sie die Leute auch hier sehen», sagt Bijleveld. Gerade wird im Camp ein grösserer Schmetterlingsgarten gebaut, die Pflanzen sind schon da, der Pfad auch, nur die «mariposas» fehlen noch.

Haben die Einheimischen nicht das Gefühl, dass man ihnen etwas weggenommen hat? «Wir haben den Auftrag von der Regierung, die Parks für sie zu führen», sagt Bijleveld, der ein- bis zweimal pro Jahr hierher reist. Auf dieser Reise ist auch sein Vater Maarten mit dabei, ein charismatischer 80-Jähriger, der sein Leben ebenfalls dem Naturschutz verschrieben hat. Die beiden machen sich gemeinsam auf die Suche nach einem alten Bekannten:

Mit Machete angegriffen

Mit dem Ziel, finanziell auf eigenen Beinen zu stehen, wurde Anfang 2016 ein weiteres Haus im Camp gebaut. Es soll Touristen beherbergen. Die Einnahmen aus den Übernachtungen haben letztes Jahr zwei Monate der Betriebskosten gedeckt.

Das 16-köpfige Rangerteam baute die neue Unterkunft eigenhändig. Meist sind die Ranger aber nicht im Camp anzutreffen, da sie im Wald mit Aufforstungsarbeiten oder Patrouillen beschäftigt sind. Im Camp sieht man sie im Stechschritt zum Trainingshäuschen marschieren. Hier vertreiben sie sich die Zeit mit Fitnesstraining und dem Stemmen von uralten Eisenhanteln, die bereits Rost angesetzt haben.

«Wir müssen fit sein für den Ernstfall», erklärt Joel Dias, einer der Ranger. Er ist ein kleiner stämmiger Mann, der nonstop lacht. Als 18-Jähriger fing er hier im Shipstern an. Heute ist der 30-Jährige vor allem für die Touristentouren zuständig, er bildet aber auch die Ranger aus: «Was mir am meisten Spass macht, sind die Patrouillen. Manchmal bleiben wir bis zu zwei Wochen im Wald und suchen nach Wilderern oder Leuten, die illegal abholzen.»

Für seinen Job brauche es «pasión y cojones», Leidenschaft und Eier. «Du brauchst Mut, weil es im Wald gefährlich werden kann und weil die Leute uns Ranger hassen», sagt er. Er wohnt in Chunox, einem Dorf, das ungefähr eine halbe Stunde vom Shipstern Camp entfernt ist. Hier habe er keine Freunde, und alle würden ihn als «mala gente», einen schlechten Menschen, sehen. Dias ist der Dorfpolizist, der im Wald das geltende Gesetz durchsetzt, damit die Abholzungsrate nicht noch weiter steigt. Diese hat sich zwischen 2011 und 2015 im Bezirk Corozal von 0,6 auf 2,6 Prozent gesteigert, wie eine vom Shipstern beauftragte Studie aufzeigt.

Zwei Narben an seinem Kopf zeugen von Angriffen, die aber nicht bei Patrouillen im Wald geschehen sind. «Ein Mann, den ich zuvor verwarnt habe, hat mich eines Abends im Dorf mit einem Stein bewusstlos geschlagen. Auch als ich am Boden lag, trat er weiter auf mich ein», erzählt Dias und deutet auf die rote Narbe an der rechten Schläfe. Der zweite Angriff hätte ihn fast getötet, ein anderer Mann sei von Leuten als Killer angeheuert worden und habe ihn am helllichten Tag im Wald attackiert. «Ich weiss wirklich nicht, wie ich das überlebt habe. Tenia suerte, ich hatte Glück», sagt er. Dass er seinen Job trotzdem macht, liegt nur daran, dass das Shipstern sein erster, bisher einziger Job und sein Daheim ist.

Dias hat einen Feldstecher um den Hals, allzeit bereit, seine persönliche Liste von 205 erspähten Vogelarten zu erweitern, die Hosen hat er in die Socken gestopft, seine Füsse stecken in Nike-Turnschuhen. Wir fahren mit ihm ins zweite Reservat Freshwater Creek, zweieinhalb Stunden über eine Schotterstrasse, wo wir auf einen Übeltäter treffen:

Wer im Reservat illegal Bäume fällt, wird beim ersten Mal verwarnt. Beim zweiten Mal geht es aber vor den Richter. «Ich habe 100 Männer vor Gericht gebracht, 99 Fälle habe ich gewonnen», sagt Dias stolz. Der einzige verlorene Fall sei wegen eines falschen Datums gewesen, der Übeltäter hatte ein Alibi gehabt, dass er an diesem Tag nicht im Wald gewesen sei.

«Ich habe 100 Männer vor Gericht gebracht»

Die jahrelangen Patrouillen haben laut Dias bewirkt, dass die Leute endlich begriffen haben, dass sie nicht einfach im Naturreservat holen dürfen, was sie wollen. «Im Shipstern haben wir seit vier Jahren gar keinen illegalen Holzschlag mehr», erklärt er, blickt aus dem Autofenster und manövriert das Auto geschickt um die Schlaglöcher. Gerade fahren wir an einem 100 Hektaren grossen Feld vorbei, das gerodet wurde. «Das habe ich alles brennen sehen», sagt Dias traurig. An der Zerstörung des Regenwaldes sind hier allerdings nicht nur die Belizerinnen und Belizer, sondern auch die Mennoniten schuld.

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