Reto Nause

Eines kann man Berns Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) nicht vorwerfen: dass er in Krisensituationen abtaucht.

Im rot-grünen Gemeinderat politisiert Nause in der Minderheit. Auch das würde ihn zu einem guten Stadtpräsidenten machen, sagt er.

Der «Ober-Schmierlatz»

Dieser Job kann Reto Nause jederzeit um die Ohren fliegen. Als Sicherheitsdirektor steht er seit bald acht Jahren im Rampenlicht, und das oft mit negativen Schlagzeilen: wenn jemand in den Bärenpark fällt, wenn sich Fussballfans aus Basel und Zürich durch Berns Gassen pöbeln, wenn Türken und Kurden aneinandergeraten. Ob vor der Reitschule Strassenbarrikaden brennen oder in der Matte ein Hochwasser droht – Nause ist der Mann fürs Unangenehme.

Da kann er noch so oft betonen, dass er die Berner Energiewende vorantreibe oder politischer Chef eines landesweit gelobten Tierparks sei: Bekannt ist er als ­Sicherheitsdirektor. Oder als «Ober-Schmierlatz» – auch solche Titel bekommt er manchmal verliehen.

Reto Nause ist 45 Jahre alt, Vater zweier Buben und lebt von seiner Frau getrennt. «Die Kinder betreuen wir gemeinsam», sagt er. Details gehörten aber nicht an die Öffentlichkeit. Sein Privatleben schützt er seit jeher und damit vor allem seine Söhne, 3 und 7 Jahre jung. Homestorys über ihn findet man keine. Als frischgebackener Papa gab er ein Interview zum Thema Kinderbetreuung und berichtete vom schwierig zu organisierenden Alltag, wenn beide Elternteile arbeiten.

Nause, der Krisenmanager

Dass Nause seine Familie abschirmt, hängt auch damit zusammen, dass er persönlichen Angriffen ausgesetzt ist. Sprayereien mit Anti-Nause-Parolen tauchen regelmässig auf. «So richtig mulmig» wurde ihm aber während der Partydemo «Tanz dich frei» im Mai 2013. Er geriet in der Bundesgasse mit Mitarbeitern von Feuerwehr und Sanität zwischen die Fronten, als Vermummte die Absperrungen zum Bundesplatz zu durchbrechen versuchten. «Ich dachte: Wenn dich jetzt einer vom Schwarzen Block erkennt, kommst du hier nicht unverletzt raus.»



«Tanz dich frei» ist Reto Nauses grösste Niederlage: 50 Verletzte, über zwei Millionen Franken Sachschaden, Bern in den Negativschlagzeilen. Ein Fiasko, das ihn sein Amt hätte kosten können. «Ehrlich gesagt kann ich auch nicht erklären, weshalb mir ‹Tanz dich frei› nicht zum Verhängnis geworden ist», sagt er heute. Vielleicht, weil man gespürt habe, dass er selber aufrichtig schockiert gewesen sei ob ­dieser sinnlosen Gewalt? Auch der Gesamtgemeinderat stärkte Nause den Rücken. Er kam nach einer Analyse der Ereignisse zum Schluss, dass es trotz allem richtig gewesen sei, die unbewilligte Demo laufen zu lassen.

In Krisensituationen sei Reto Nause ein verlässlicher Chef, sagen Mitarbeitende aus seiner Direktion. «Er steht hin und übernimmt Verantwortung.» In der Tat kann man Reto Nause eines nicht vorwerfen: dass er abtaucht, wenn es Bad News zu kommunizieren gilt. Nach fünfundzwanzig Jahren auf allen Ebenen der Politik weiss er allerdings auch, wie das Spiel läuft: Medienpräsenz, egal welcher Art, erhöht den Bekanntheitsgrad.

Solche von der Aktualität getakteten Auftritte fallen ihm leicht. Weniger gern vergräbt er sich offenbar in Dossiers, ist zu hören.

«Ehrlich gesagt kann ich auch nicht erklären, weshalb mir ‹Tanz dich frei› nicht zum Verhängnis geworden ist»

Nause, der Hardliner?

«Tanz dich frei» war nicht die einzige, aber die grösste Krise, die Nause in dieser Legislatur zu meistern hatte. Letztes Jahr gab er das Reitschule-Dossier an Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP) ab. Solche Rochaden seien üblich, versicherten beide. Vonseiten der Reitschule tönte es anders: Mit Nause könne man nicht reden. Der sei ein Hardliner. «Man hat sich drei Stunden angebrüllt, und das war es dann, komplette Sackgasse», beschrieb ein Reitschüler in einem Artikel der WOZ eine Sitzung.

Tschäppät nahm Nause in Schutz: «Ich habe eine andere Ausgangslage für die Gespräche, als sie Reto Nause als Sicherheitsdirektor haben kann.» Nause ein Hardliner? Sicher nicht, finden Menschen, die mit ihm zusammenarbeiten. Fussballfans haben das auch schon anders gesehen.

Aber Reto Nause ist ein Einzelkämpfer. Das sagt er selber von sich, aber das sagen auch andere über ihn. Dazu passen seine Hobbys: Ski fahren und Tennis.

Mit Nause könne man nicht reden.

«Ich bin kein Mannschaftssporttyp.» Siege teile er aber gerne. Dazu passt auch seine Rolle im Gemeinderat: ungeliebte Direktion und als Bürgerlicher in der Minderheit. Er stelle sich aber durchaus in den Dienst eines Teams, betont Nause. «Man muss sich das mal vor Augen führen: Wir leiten zu fünft den Milliardenkonzern Stadt Bern, und das machen wir gar nicht so schlecht, obschon wir unterschiedliche politische Ansichten haben.» Eine Regierungskrise habe es in den letzten acht Jahren jedenfalls keine gegeben.

Als Stapi Tschäppät Ende 2013 wegen einer Knieoperation ausfiel, übernahm Vize Nause für rund einen Monat. Seine Kollegen waren nach dem Einsatz voll des Lobes. Nause überzeugte auch bei repräsentativen Auftritten. Man hatte den Eindruck, dass es da einer genoss, einfach mal für eine Eröffnung, eine Jungbürgerfeier oder eine Vernissage vor die Kameras zu treten. Auch in Sachen Freude am feuchtfröhlichen Festen könnte er durchaus in Tschäppäts Fussstapfen treten. Ein Alleinunterhalter ist er allerdings nicht.

In Tschäppäts Fussstapfen

Nause, der Stapi



Hat ihn diese Stellvertretung zu seiner Stapi-Kandidatur bewogen? Oder war es vielmehr die Tatsache, dass er, als alle Bisherigen antraten, gar nicht mehr anders konnte? Er windet sich. «Ich bin überzeugt, dass ich als Vertreter der politischen Mitte einen wichtigen Beitrag leisten könnte, um die Stadt vorwärtszubringen. Lust und Erfahrung wären auf jeden Fall vorhanden.»

Eine Regierung sei dann erfolgreich, wenn sie Entscheidungen treffe, um diese müsse aber gerungen werden. «Die besten Argumente sollten den Ausschlag geben, und es sollten nicht schon von vorn­herein die Mehrheiten klar sein.» Hier spricht wieder der Einzelkämpfer, dem alles Ringen nichts hilft, wenn Rot-Grün nicht will.

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Bilder: Andreas Blatter
Text: Mirjam Messerli
Videos/Umsetzung: Claudia Salzmann

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