Die Clubs

Der Fluch von Bern. 10’000 Euro für eine Nacht. Wer es hier schafft, schafft es überall.

«Es ist der Fluch von Bern, den es schon immer gab. Die Stadt ist zu klein und zu gross. Zu speziell und zu ländlich.»
Bobby, Bonsoir

«Der Berner geht gerne im Stammlokal mit Freunden Bierli trinken und um drei Uhr ins Bett.»
Marco, Rondel

2. Akt

Es ist 14.45 Uhr, als Marco Rosser (35) in die Taube stolpert. Er fällt über den Blitzlichtständer neben der Türe, fängt sich und begrüsst die Runde. «Hoffentlich ist der Fotograf versichert», spottet Barkeeper Ben. Er und Diego kennen Marco. Marco kennt alle ausser Mich. Aber niemand weiss, für welchen Club Marco gekommen ist. Wir versuchen unser Glück: Vom Playground?
Marco: Nein, vom Rondel. Greg (Clubbetreiber Gregory Schmid, Anm. d. R.) schickt mich. Ich bin seit einer Woche Geschäftsführer.

Allgemeines Erstaunen. Jetzt erscheint auch Rolf Bähler (33) vom Bonsoir. Bobby, wie ihn alle nennen, ist eine Nummer im Berner Nachtleben. Er ist seit sechzehn Jahren im Business, ist Mitbetreiber der Clubs Bonsoir und Propeller und setzt sich im Vorstand der Bar- und Club-Kommission Bern (Buck) für die In­teressen der Gastrobetriebe ein. Die Neuen rücken in die Mitte, die Bisherigen nach aussen. Es stehen jetzt fünf Männer an der Bar.

BZ: Da wir die Clubs beisammen­haben: Was macht das Berner Nachtleben aus?
(Schweigen)
Bobby: Die Stille sagt viel, oder? Bern ist schwierig, weil man es nicht so genau weiss. Es gibt super Acts, Abende, die hundertprozentig sein sollten . . .
Diego, Pumba und Ben lachen. Bobby schaut verdutzt.
Pumba: Das hatten wir schon.
Bobby: Ah. Es ist der Fluch von Bern, den es schon immer gab. Die Stadt ist zu klein und zu gross. Zu speziell und zu ländlich. Es gibt diese Gegensätze, die aufein­anderprallen und sich an gewissen Abenden auflösen. In Bern ist es schwer, etwas zu machen, das auf der ganzen Welt funktioniert. Das haben gewisse Leute aus Zürich schon merken müssen.
Dazu muss man wissen: Das Rondel, das damals noch Liquid hiess, wurde 2013 von Zürchern übernommen. Die neuen Betreiber setzten auf Stars am Mischpult.
Marco: Das Rondel hat zu oft mit bekannten DJs gearbeitet. Die Besucher gewöhnen sich der­massen schnell daran, dass du jedes Wochenende noch mehr und noch besseres bieten must. Aber die Artisten kosten so viel mittlerweile, da kannst du ein volles Haus haben, und die Endab­rechnung geht trotzdem nicht auf. Vielleicht macht es Sinn, auf etwas weniger Leute zu setzen, und dafür kostet der Allstyle-DJ nur 700 Franken pro Abend.
Bobby: Wir haben DJs, die wollten vor sieben, acht Jahren noch 1500 Euro, und heute sind es 10 000 pro Nacht. Da will man gar nicht mehr mithalten. Die Identität des Clubs wird deshalb immer wichtiger: Wenn dus nicht mit Herz und Kopf machst, kannst du hier keinen Erfolg haben.


Bobby Bähler über einen guten Clubabend.

Pumba: Den Abend kannst du kaum steuern. Manchmal hast du die coolsten Visuals und Geschichten, und trotzdem steht jeder nur rum.
Bobby: Du kannst heute für 50 Euro in Europa rumfliegen, und was du dort erlebst, können wir in Bern nicht bieten. Die Leute gehen nach Berlin, Kopenhagen oder Barcelona, kommen zurück und haben diese Erwartungen in sich. Das gibt eine Minusbilanz in der Stimmung. Sie denken nicht: Huereschön, gibt es in meiner kleinen Heimatstadt so was wie die Taube. Eher: Hab ich schon gesehen, in Kopenhagen oder so.
Pumba: Und man hat das meiste irgendwo mal für weniger Geld bekommen.
Bobby: Genau. Berlin ist toll und günstig, klar. Aber dort verdient ein Barkeeper 8 Euro die Stunde. Das kannst du hier mal drei rechnen.
Pumba: Dann motzt dich im Rössli einer an, weil er für drei Bands an einem Abend 10 Stutz zahlen muss. Da weisst du manchmal nicht mehr, wo du bist.

BZ: Ist es heute schwerer für die Clubs, weil die Berner lieber in Bars und Beizen rumhängen?
Ben: Die Barkultur ist weltweit auf dem Vormarsch. Da steckt ein jahrzehntelanger Aufbau dahinter. Dass wir nun mehr Platz einnehmen, spüren die Clubs.


Marco Rosser über den Berner Ausgänger.

Bobby: Heute macht ein Club von Freitag bis Samstag zwischen 1 und 4 Uhr seinen Umsatz. Sechs Stunden pro Woche. Das ist nichts.
Marco: Es wäre schön, wenn die Leute um 20 Uhr für das Apéro in die Stadt gingen und um 23 Uhr weiter in den Club. Das müssen wir wieder hinbekommen. Wir müssen die Nachtschwärmer vermehrt packen.
BZ: Gibt es denn etwas, das nur in Bern funktioniert?
Ben: Ich würde eher sagen: Was in Bern gut funktioniert, würde in anderen Städten noch viel besser laufen.
Bobby: Wir zahlen nicht viel tiefere Mietzinse als in Zürich, aber wir haben einen viel kleineren Markt. Wenn du hier ein Bon­soir zum Laufen bringst, dann hättest du das auch in Zürich geschafft.
BZ: Vor fünf Jahren musste das Sous-Soul in der Altstadt wegen Lärmklagen von Anwohnern schliessen. Danach gab es eine grosse Diskussion über Regulierungen im Nachtleben. Man sprach vom Clubsterben in Bern. Ist das kein Thema mehr?
Bobby: Doch, die Probleme sind immer noch da. Ich möchte mal einen Banker sehen, der sein Büro schliessen muss, weil einer findet, er berate seine Kunden schlecht. Mit der Buck setzen wir uns dafür ein, dass die Gesetze angepasst werden. Wenn wir Schwein haben, sind wir noch im Geschäft, wenns so weit ist.
Pumba: Die Problematik betrifft ja nicht nur das Nachtleben. Auch beim Sportplatz Spitalacker gab es Lärmbeschwerden. Das zieht sich durch alle Bereiche des Zusammenlebens.
Bobby: Gerade jetzt, wo verdichtet wird und immer mehr Leute ins Zentrum ziehen, ist der Lärm das hundertprozentige Problem. Aber wir hatten zusammen mit den Behörden und der Politik viel Erfolg bisher. Mit dem Nacht­lebenkonzept nimmt die Stadt schweizweit eine Vorreiterrolle ein. Da ist Bern mal fortschrittlicher als Zürich oder Basel.
Pumba: Und Thun ist noch fortschrittlicher . . .
Bobby: Ja, die Oberländer Cheibe. Die haben sogar noch mediterranere Nächte als wir.

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