Das zweistündige Wortgefecht spielt sich im ganzen Haus von Jean Zieglers Frau im Genfer Winzerdorf Russin ab: im Garten, im Wohnzimmer – dann auch im Treppenhaus oder in seinem Arbeitszimmer vor der alten Schreibmaschine – dort überall lässt ihn Fotograf Jean Revillard posieren. Jean Ziegler ist eben 83 Jahre alt geworden, aber seine Energie scheint unerschöpflich. In seinem neuen Buch «Der schmale Grat der Hoffnung» liefert er Innenansichten der UNO und schildert seine Erlebnisse als UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung (2000– 2008) und als Mitglied im Beratenden Ausschuss des UNO-Menschenrechtsrates (seit 2008). Ziegler versteht das Buch als Autobiografie. Es dreht sich wie alle seine Bücher vor allem um seinen Kampf gegen das Grosskapital und für die Armen.

Ziegler ist ein Getriebener. Mit Furor und furchtlos betreibt er seine Mission als Weltverbesserer. Seine Begegnungen mit Diktatoren trugen ihm Kritik ein. Er schiesst rhetorisch bisweilen über das Ziel hinaus, wodurch er sich kostspielige Prozesse einhandelte, vor denen ihn nun die UNO-Immunität bewahrt. Ziegler ist aber auch ein Phänomen. Seine Verwandlung vom bürgerlichen Richterssohn aus Thun zum linken Jünger Jean-Paul Sartres, zum Soziologieprofessor in Genf und Paris, zum Globalisierungskritiker und Bestsellerautor ist eindrücklich. Ein Gespräch mit ihm ist eine Zeitreise durch das 20. Jahrhundert.

Das Buch: Jean Ziegler: Der schmale Grat der Hoffnung – Meine gewonnenen und verlorenen Kämpfe und die, die wir gemeinsam gewinnen werden, Bertelsmann, Fr. 29.00.