Als Stadtpräsident war Alexander Tschäppät eine Rampensau. Er liebte die Bühne – sogar wenn diese Bühne nur das Rednerpult im Saal des Rathauses war.

Donnerstag, 22. Dezember, 2016. Auftritt Tschäppät. Mit leichter Verspätung stapft er in den Festsaal im Erlacherhof. Schüttelt Hände und zeigt seine Krawatte herum. Rote Geranienblüten sind darauf. Es ist Stapi Tschäppäts letzte Medienkonferenz. Er informiert über das neue Stadtentwicklungskonzept.
«Kein sexy Thema, ich weiss. Aber ein wichtiges.» Er hoffe auf «vorweihnächtliches Wohlwollen in der Berichterstattung». Damit er ein letztes Mal die Zeitungen aufschlagen und denken ­könne: «Was war ich doch für ein toller Kerl.»

Oft hat er das so gemacht: sich mit ein paar Sprüchen die Aufmerksamkeit gesichert, die Stimmung aufgelockert und dann erst mit den trockenen Fakten los­gelegt. Immer wieder sucht er Augenkontakt im Publikum. Hört mir zu, heisst das. Selbst wenn er nicht an der Reihe ist, ist er raumfüllend. Als Gemeinderätin Ursula Wyss redet und von den «älteren Mitbürgern» spricht, sagt Tschäppät: «Ursula, schau mich nicht so an», und hat ein letztes Mal die Lacher auf seiner Seite.

Dieser Hunger nach Aufmerksamkeit und Anerkennung wurde Tschäppät manchmal fast zum Verhängnis. Als er sich 2013 im Zelt als Komiker versuchte, schlug er sich recht tapfer, bis er den inzwischen berühmt-berüchtigten Italienerwitz mit den arbeitsscheuen Südländern zum Besten gab. Es hagelte Kritik: Niveaulosigkeit, gar Rassismus wurden Berns Stadtpräsident vorgeworfen. Heute hört man von ihm nur noch einen tiefen Seufzer, wenn man ihn auf diese Episode anspricht:


Dieser Auftritt von Tschäppät im «Das Zelt», bei dem er Italienerwitze riss, sorgte für Furore.

«Ein Italiener. Kein Witz.» So hiess ein Programmpunkt an Tschäppäts Abschiedsfest. Profikabarettist Massimo Rocchi trat für Hobbykomiker Tschäppät auf.

Alexander Tschäppät machte Fehler und sprang manchmal mit beiden Füssen in ein Fettnäpfchen. Aber er war immer auch einer, der einen Fehler zugeben konnte. «Es gab sicher Momente, in denen ich besser geschwiegen hätte», sagte er einmal. Zum Beispiel in einer Quartierbeiz, in der er Lumpenlieder über Christoph Blocher mitgrölte. Zum Beispiel damals, als er an einem Fest an­geheitert zwei junge Frauen anquatschte und das Filmchen danach auf Youtube landete.

Tschäppät, der Pausenclown? Manchmal ja, wie Archivbilder zeigen:



Aber nicht nur. «Ich mag seinen Humor. Aber ich mag auch, dass man mit Alex genauso über ernsthafte und schwierige Themen diskutieren kann», sagt Klaus Wowereit, der ehemalige Bürgermeister von Berlin. Wowereit und Tschäppät sind seit Jahren befreundet. Tschäppät sei viel sensibler, als er gegen aussen zeige, sagen Menschen, die nahe mit ihm zusammengearbeitet haben. «Wenn mich etwas beschäftigt, kann ich nicht schlafen», sagt er.

Tschäppäts sensible Seite führte manchmal dazu, dass er Kritik allzu persönlich nahm und nicht immer souverän darauf reagierte. Er sei eine «Mimose» oder eine «Diva», fanden seine Gegner. Darauf angesprochen, entgegnete Tschäppät in einem Gespräch mit dieser Zeitung: «Nein. Ich bin keine Diva.» Er nehme sich einfach das Recht heraus, sich zu wehren, wenn er sich ungerecht behandelt fühle. «Und lässt es jemand mir oder meiner Familie gegenüber an Anstand fehlen, dann werde ich wirklich sauer.»

Und nun, Alexander Tschäppät? Wie wird das Leben sein, wenn es nicht mehr im Rampenlicht stattfindet? «Ich will mir eine Tagesstruktur geben. Sonst bin ich nur daheim und muss die Hunde ausführen oder den ­Ghüder runterbringen», sagt Tschäppät.


Tschäppät war auch bekannt für seine Volksnähe, wie hier im Fussballspiel mit einem kleinen YB-Fan.

Die neusten Bilder von Alt-Stadtpräsident Alexander Tschäppät sind im Kasten. «Sind wir fertig?», fragt er. Inzwischen ist Feierabendzeit. Der Erlacherhof hat sich geleert. «Schöne –Aabe no», sagt Tschäppät. Dann löscht er überall das Licht.

© Tamedia