Von der Düne in den Wein

Ab Juli wird Bordeaux an die TGV-Schnellfahrstrecke angeschlossen.

Damit rücken das neue Weinmuseum «Cité du Vin» und die grösste Düne Europas etwas näher an Bern.

Der Wind weht uns den Sand an die nackten Beine, unsere Füsse versinken im eierschalenfarbenen Sand, und es riecht nach Meer. Es ist zwar nicht Sommer, dennoch heiss auf der Dune du Pilat, der grössten Düne von Europa. Sie liegt 45 Zugminuten von Bordeaux und 20 Autominuten von Arcachon entfernt.

Doch manchmal ist die Düne unerreichbar: Bereits vor vier Jahren strandeten wir an einem Sonntag in Arcachon, dem Städtchen, das der Düne am nächsten liegt. «Le dimanche, il n’y a pas de bus», hiess es damals, und so gingen wir mit hängenden Köpfen durch den Ort. Es regnete, und die Strassen waren menschenleer, als wir plötzlich eine kleine Crêperie entdeckten. Die Fensterscheiben waren beschlagen, und gerade traten zwei Leute aus dem Lokal. «Komm, wir gehen rein», sagte ich zu meiner Begleitung, und schon hob sich unsere Stimmung.

Drinnen gab es tatsächlich zwei freie Plätze, es war warm, und der Lautstärke nach zu urteilen waren die Gäste seit Stunden da, vor ihnen Cidre­tassen und leer gegessene Teller. Wir taten es ihnen gleich, bestellten Cidre und Galettes, die salzige Variante einer Crêpe. Dieses späte Mittagessen war damals unser Trost, dass wir die Düne nicht gesehen haben.



Nun, vier Jahre später, sind wir gewappnet, fahren nicht am Sonntag hin, doch Arcachon hat den Busfahrplan nicht an touristische Bedürfnisse angepasst. Unzählige Mitreisende stehen verwirrt vor dem Bahnhof, und wir bestellen gleich ein Taxi. Nach wenigen Minuten kommt Philippe von Aquitaine VTC Travel (siehe Box) mit seinem Mercedes und bringt uns zur Düne.

Er führt auch Weintouren durch, wir fühlen uns in seinem geräumigen Wagen so wohl, dass wir buchen wollen. «Désolé, ich bin für morgen schon besetzt», meint er. Dafür hat er einen Tipp für den Dünenbesuch: «Wenn ihr Hunger habt, gibt es ein ganz kleines Restaurant am Strand.»

Nach einem kurzen Marsch im Pinienwald, wo uns barfüssige Ausflügler entgegenkommen, ragt vor uns plötzlich die Düne auf. 110 Meter hoch, 2700 Meter lang, 500 Meter breit, umrandet von 3800 Hektaren Pinienwald und Park. Die Höhenmeter überwinden wir über eine Treppe, die zwar das Landschaftsbild stört, aber sehr praktisch ist. Neben uns rennen und rutschen immer wieder andere Dünenbesucher den Hügel herab, und wenn sie kreischend in den weichen Sand fallen, wirbelt ein kleiner Staubsturm auf. Das Gefühl, endlich hier zu sein, und die Sicht über die Dünen auf den dunkelblauen Atlantik und die Sandbank Banc d’Arquin lassen uns erstummen und geniessen.

Wir setzen uns in den Sand. In Anbetracht seiner Dimensionen können wir uns kaum vorstellen, dass der 60 Millionen Quadratmeter grosse Sandhaufen sich pro Jahr bis zu fünf Meter verschieben kann. Wer Zeit hat, kämpft sich ans Ende der Düne, wo man als Belohnung ganz alleine ist. Nach wenigen Metern allerdings weiss man, wie anstrengend dies werden wird. Zwei Schritte vor, einen zurück, da man immer tief versinkt.

Lunch mit Aussicht

Nach einer Stunde Staunen bekommen wir Hunger und erinnern uns an den Tipp unseres Fahrers Philippe. Wir wackeln vom Berg herunter, biegen zu früh rechts ab und verpassen das Restaurant. Dafür spazieren wir durch ein stilles Quartier mit Ferienwohnungen und landen im Restaurant Co(o)rniche, wo wir eine andere Sicht auf die Düne haben.

Die Meeresbrise streicht durchs Haar, wir strecken die Füsse unter dem Sonnenschirm hervor an die Sonne und trinken zum Fleischplättchen einen «La vie en rose», dessen Name nicht passender sein könnte.



Velotour zum Weinmuseum

Retour in Bordeaux, der Hauptstadt der Gironde und seit 2008 als Unesco-Welterbe ausgezeichnet, schwingen wir uns aufs Fahrrad. Besonders schön ist die Velotour, wenn man am Pont de Pierre startet, am Miroir d’eau vorbei- und am Quai der Gironde entlangradelt.

Seit letztem Juli hat genau diese Velotour ein neues Ziel: Wer nach etwa drei Kilometern nach links blickt, sieht schon bald das Weinmuseum Cité du Vin, ein architektonisches Wunderwerk. «Nichts ist der Form des Gebäudes ähnlich, weil es die Seele des Weins darstellt», beschreibt das Museum sich selber. Nebst temporären Ausstellungen gibt es einen permanenten Parcours, der interaktiv auf 3000 Quadratmetern den gegärten Traubensaft vorstellt.

Mehr Wein? Ça suffit!

Wir tauchen ein und haben uns bald aus den Augen verloren. Zwei Stunden später treffen wir uns dort wieder, wo man Gerüche erraten kann. Wir stecken unsere Nasen in eine Art Trompete und schnüffeln an angenehmen Düften wie Butter, Vanille oder getrocknete Ananas. Und rümpfen unser Riechorgan ob Weinfehlern, die sich in unangenehmen Gerüchen äussern – zum Beispiel Pferdestall.

Im obersten Stock befindet sich das Belvédère, wo Hunderte von leeren Flaschen von der Decke hängen und jeweils ein Gastland seine Weine vorstellt. Bei einem Glas Bordeaux geraten wir ins Philosophieren. Die Diskussion verlangt nach mehr Wein, aber das Museum ist streng: Ein Glas pro Besucher gibt es an der Bar, ça suffit.

Vielleicht ist das auch für uns besser, damit wir den Weg in die Altstadt zurückradeln ­können.

Anreise: Flug von Zürich nach Bordeaux mit Helvetic ab 280 Franken. Ab 2. Juli übers Schnellzugnetz des TGV ab Basel via Paris in gut sieben Stunden, ab 325 Franken (mit Halbtaxabo).
Arcachon: Taxi Aquitaine VTC Travel, Philippe +33 602 509 209. Mail an reservation@aquitaine-vtc-travel.com.
Cité du Vin: Dienstag bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr. Eintritt 20 Euro inklusive ein Degustationsglas im Belvédère.
Events: 1. 7. Soirée blanche sur la sable, 14. 7. Nationalfeiertag, 25. 7. bis 3. 8. Arcachon en Scène, 14. bis 15. 8. Fêtes de la Mer, 22. bis 25. 9. Festival Cadences.

Impressum
Fotos: Claudia Salzmann
Text: Claudia Salzmann

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