Franziska Teuscher

Die Zeit ist reif für eine grüne Stadtpräsidentin. Das findet Franziska Teuscher (GB, im Bild mit ihrer Tochter).

Seit vier Jahren ist sie in der Berner Exekutive. Davor war sie über 20 Jahren in Legislativen tätig.

Was würde entstehen, wenn Politstrategen eine grüne Politikerin auf dem Reissbrett entwerfen würden? Franziska Teuscher. Die Gemeinderätin des Grünen Bündnisses (GB) verkörpert alles, was grün ist. Privat ist sie zu Fuss, mit dem Velo oder mit dem ÖV unterwegs, auf ihrem Dach zu Hause steht eine Solaranlage. Hobby der studierten Biologin ist die Botanik.



Sie ist Mitglied in zig Umwelt- und Mobilitätsvereinen, war und ist auch sozial engagiert. So gehört die ehemalige VCS-Präsidentin und zweifache Mutter etwa zu den Gründungsmitgliedern der Kindertagesstätte Taka Tuka in der Länggasse. Als Nationalrätin war sie jahrelang die grüne Stimme der Energie- und Verkehrspolitik und hat mit ihrer Motion im Nationalrat die Arbeiten zur Energiestrategie 2050 ausgelöst.

Nach zwanzig Jahren in der Politik – ab 1989 im städtischen, ab 1990 im kantonalen, ab 1995 im nationalen Parlament – wurde die 58-Jährige vor vier Jahren in die Berner Stadtregierung gewählt. Dort gehört sie zum allerersten Mal zur Mehrheit. Und trotzdem musste sie zuerst zurückstecken. Die Direktion für Bildung, Soziales und Sport (BSS) war nicht ihre Wunschdirektion. Franziska Teuscher liess durchblicken, dass sie lieber die Verkehrsdirektion übernommen hätte. Doch diese ging an Ursula Wyss (SP). «Es war letztlich die grösste Partei, die bestimmen konnte, wer welche Direktion übernimmt», sagt Teuscher.

Die Kämpferin

Sie liess sich von dieser Niederlage nicht beirren. Teuscher fand Gefallen an der mit 1800 Mitarbeitenden grössten Direktion der Stadt, weil hier der Mensch im Zentrum steht, wie sie sagt. Als Vorsteherin des BSS konnte sie etliche Abstimmungserfolge verbuchen. «Für ein Exekutivmitglied ist es schön, dass man dank Abstimmungen immer wieder eine Rückmeldung zu seiner Arbeit von der Bevölkerung erhält», so Teuscher. In Brünnen wurde das erste neue Schulhaus seit vierzig Jahren in der Stadt Bern gebaut, mehrere Schulhausrenovationen sind abgeschlossen oder aufgegleist, die Schwimm­halle ist mittlerweile auf gutem Weg, für Flüchtlinge hat sie nach oberirdischen Unterkünften gesucht und diese auch gefunden.

Manchmal hat Franziska Teuscher auch gegen ihre politische Meinung gehandelt. Obwohl sie gegen die Kita-Gutscheine war, hat sie diese Gutscheine nach dem Volks-Ja im Sommer 2013 innerhalb von wenigen Monaten eingeführt. «Mein Ziel ist eine ­gute familienergänzende Kinderbetreuung. Dieses Ziel kann man auch mit Gutscheinen erreichen.» Zwischen den politischen Lagern habe in dieser Frage ein tiefer Graben geklafft. Es sei ihr gelungen, diese Kluft zu überwinden und den Volksentscheid emotionslos umzusetzen, so Teuscher. Dennoch sagt sie: «Das neue System verursacht viel Administrativaufwand.»

Volksentscheid emotionslos umgesetzt.

Die Ideologin

Dossiersicher, pflichtbewusst – so wird Teuscher auch von politischen Gegnern beschrieben. Sie sei jemand, der auch mal die Parteibrille ablegen könne, heisst es. Doch sie habe auch eine andere Seite. Eigensinnig, ideologisch – so könne Teuscher zuweilen ebenfalls auftreten.

Hier wird ihr Vorgehen bei der Streichung der Schiesskurse aus dem Berner Ferienpass Fäger erwähnt. Im Stadtrat wurde ein entsprechendes Postulat überwiesen, welches Teuscher umsetzte; die Schiesskurse der Stadtschützen im Sommer 2015 wurden nicht mehr im Berner Ferienpass publiziert. Die umliegenden Gemeinden, die doch immerhin die Hälfte der Kosten des Fägers übernehmen, informierte Teuscher nicht – genauso wenig wie die Stadtschützen. Das sorgte bei einigen Gemeinden für Ärger. Ihre Gegner finden: Hier hat sich Teuscher total verrannt.

Nach einer Diskussion am runden Tisch entschied der Gemeinderat, die Schiesskurse künftig wieder zu publizieren. Teuscher sagt: «Weil gewisse Gemeinden mit dem Austritt aus dem Fäger drohten, wollte ich das Angebot für die 3000 Kinder, welche Kurse des Fäger besuchen, nicht gefährden.»

In einem anderen Kapitel, welches der Gemeinderätin in der vergangenen Legislatur Sorgen bereitete, geht es um den Schulzahnmedizinischen Dienst der Stadt Bern (SZMD). Zusammengefasst: zu hohe Kosten, Mobbingvorwürfe, der Leiter des Dienstes ist krankgeschrieben. Franziska Teuscher hat reagiert und lässt Struktur und Organi­sation des SZMD nun extern überprüfen.

Zum Personalkonflikt, der mit einer Vereinbarung abgeschlossen wurde, und zum Vorwurf, sie habe zu spät gehandelt, äussert sich die Gemeinderätin allerdings nicht. «Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes darf die Stadt einen solchen Arbeitskonflikt nicht kommentieren.»

Auch mal ohne Parteibrille.

Die Stadtpräsidentin

Bereits in der Altjahrswoche 2014 liess Fraktionschefin Stéphanie Penher (GB) die Bombe platzen. Zurückhaltend, aber doch unmissverständlich zeigte Teuscher Interesse am Stadtpräsidium. Bis dahin deutete alles darauf hin, dass Ursula Wyss (SP) als einzige RGM-Kandidatin im Schlafwagen in den Erlacherhof umziehen könnte. «Die Bevölkerung hätte es nicht gerne, wenn sie beim Stadtpräsidium keine echte Wahl hätte», sagt Teuscher. Wichtig sei ihr aber vor allen Dingen, dass RGM die Mehrheit und das Prä­sidium behalte – und dass zum ersten Mal eine Stadtpräsidentin gewählt werde.

Aber wäre es nicht der einfachste Weg zu einer Stadtpräsidentin gewesen, wenn sich RGM intern auf eine einzige Kandidatin geeinigt hätte? Und wieso greift das GB gerade jetzt das Stadtpräsidium an?

RGM habe mit den Herren Baumgartner und Tschäppät jeweils nur eine Stapi-Kandidatur gestellt, die für ihre Kampagnen selber verantwortlich waren, hält Teuscher fest. Dieses Mal habe sich RGM eben auf eine Dreierkandidatur mit zwei Frauen und einem Mann für das Stadtpräsidium geeinigt. «Die Zeit ist reif, auch eine grüne Kandidatur zu präsentieren – eine Frauenkandidatur sowieso.»

Die Zeit ist reif für eine Frau.

Bilder: Beat Mathys
Text: Ralph Heiniger
Umsetzung: Claudia Salzmann
Video: Claudia Salzmann

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