Im Käsekeller von Jumi

Am Anfang war die Belper Knolle

Die Jumianer sind ein bunter Haufen. Das Unternehmen setzt auf flache Strukturen und Zusammenhalt, den sie mit täglichem Mittagessen festigen.

Täglich wird mit Käse und Fleisch gepröbelt. Die Kreationen werden im alten Gasthof Bären in Boll auch geschnitten, gelagert (im Bild) und abgepackt. Ein käsiges Porträt.

Hang zum Ungeordneten

Fünf Jahre ist es her, dass die Jumi AG von Münsingen in den ehemaligen Gasthof Bären nach Boll zügelte. Die Jumier und Jumierinnen, wie sie sich selber bezeichnen, bauten Kühlräume ein, rissen Wände aus, und «die wichtigsten Säulen, auf denen das Haus steht, hauten wir fast um». Das sagt Mike Glauser, Mitgründer des Käse- und Fleischunternehmens. Das Baugesuch dafür landete aber erst dieses Jahr bei der Bauverwaltung. Die Einsprachefrist lief bis Ende August – ­Jumi hat Glück gehabt. Weil es keine Einsprachen gab, ist das Baugesuch ohne Wenn und Aber bewilligt worden.

Die Geschichte um das Baugesuch ist typisch für die Art und Weise, wie die Jumi AG funktioniert. In deren Alltag spielen der Hang zum Ungeordneten und das Vertrauen aufs Bauchgefühl eine grosse Rolle. Auch beim Mittagessen gehts jeweils laut zu und her. Am langen Holztisch haben an diesem Tag rund 30 Leute Platz genommen. Es riecht nach Rosmarin und Käse, wobei der Käsegeruch nicht vom Mittagessen kommt. Überall sind Käse in unterschiedlicher Form und Farbe zu entdecken, manche abgepackt, andere reifen im Keller vor sich hin. Mike Glauser schöpft ­Risotto auf den Teller.

«Wir sind eine grosse Familie aus Freaks. Jeder hat seine Eigenheiten.»


Vor zehn Jahren



Wer noch nie von Jumi gehört hat, ist vermutlich kein Foodhipster wie Glauser und sein Team. In ihren Leben dreht sich vieles um Käse, besonders um die alten und neuen Kreationen. Im Sortiment stösst man auf Namen wie «Miuchgsicht», «dr Bsoffnig» oder «blaus Hirni». Gründer des Betriebs sind Jürg (Ju) Wyss und Mike (Mi) Glauser aus dem Emmental (oben ein Bild aus dem Jahre 2014). Glauser wuchs in einer Käserfamilie in Oberhünigen auf. Ein paar Hügel weiter, in Gysen­stein, lebte Wyss auf einem Bauernhof. Bei nächtlichen Diskussionen über Käse, Fleisch und Qualität entstand die Firma vor zehn Jahren.

Gemeinsam begannen sie in Münsingen mit Käse- und Fleischprodukten zu pröbeln. Glauser erinnert sich noch gut an ihren ersten Kunden. Bei einem spontanen Ausflug landeten die beiden zufällig in Berken im Oberaargau. Sie fragten den Wirt des Restaurants Löwen schüchtern, ob er sich «eventuell vielleicht irgendeinmal» vorstellen könne, Käse von ihnen zu servieren. Nachdem der Wirt die Produkte probiert und begutachtet hatte, antwortete er: «Ja, ab sofort jede Woche.» Immer mehr Kunden begeisterten sich für ihre Produkte, der Betrieb wuchs.

Mittlerweile hat Jumi über 50 Käsesorten aus Rohmilch im Sortiment. «Weil die Natur grossen Einfluss auf die Sorten hat, kann es geschmackliche Abweichungen und Lieferstopps geben», so Glauser. In sieben Käsereien werden sie produziert, und fünfzehn Bauernhöfe liefern Fleisch.

In Boll wird das Fleisch auf besondere Art zugeschnitten, Spezialitäten wie das «Flat-Iron-Steak» entstehen. Wyss könnte dazu mehr erzählen, doch weil er an diesem Tag in den Ferien ist, dreht sich das Gespräch hauptsächlich um den Käse. Dafür verrät Glauser seine Lieblingsorte, wo man Jumi-Käse essen kann:


Über 50 Käsesorten aus Rohmilch

Aus Zufällen entsteht Käse

Wie viele Festangestellte und Aushilfen im Stundenlohn die Firma hat, behält Glauser für sich. «Wir geben lieber Geschichten und Emotionen weiter statt Zahlen.» Erika Leuenberger, die seit sechs Jahren bei Jumi anpackt, wirft dazwischen: «Wir sind ein wilder Haufen, der irgendwie zusammenspielt.»

Der Teller Risotto ist leer gegessen. Glauser verschwindet in dem Käsekeller. «Jeder Käse hat seinen eigenen Kreislauf», sagt er. Bis ein konstanter Reifeprozess entsteht, wird gepröbelt, ­angepasst und verfeinert. «Erfindungen sind häufig schon da, man darf nicht zu stark danach suchen.» So entstand die Belper Knolle massgeblich durch einen Zufall. «Eine Knolle ging im Kühlkeller vergessen, aus dem Frischkäse ist ein Hartkäse entstanden», so Glauser.

Besonders spannend findet der 33-Jährige, dass der Käse lebendig ist und sich immer weiter entwickelt. Genau: Glausers Käse­leidenschaft scheint keine Grenzen zu haben.

Von Boll nach London

Auf Jumi-Käse stösst man nicht nur in der Schweiz, mit der Fluggesellschaft Edelweiss hebt der Jumi-Käse gar in die Lüfte ab. Und in Wien gibt es einen Laden und auf dem Borough-Markt in London einen Marktstand, wo man die Jumi-Produkte findet (Bilder siehe oben).

Ein Besuch am Samstagsmarkt in der Münstergasse.

Zu Hause fühlt sich Mitgründer Mike Glauser indes auf dem Berner Markt in der Münstergasse. Dort begann die Geschichte von Jumi. Jeden Samstag standen Glauser und sein Kollege Jürg Wyss früh auf, verkauften etwas Käse und gingen mit rund 200 Franken in der Hosentasche wieder heim. Heute strömen jeweils viele Jumi-Fans herbei. «Ich freue mich noch immer jede Woche auf den Markt», sagt Glauser, «dort erhalten wir das ehrlichste Feedback.»

Alles begann in der Münstergasse

Bilder: Iris Andermatt
Text: Nina Frey
Videos/Umsetzung:
Claudia Salzmann

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