Der landesweite Generalstreik vom 12. bis 14. November 1918 gilt als grösste Zerreissprobe des damals noch jungen Schweizer Bundesstaates. Die Bundesbehörden werden vom unerwartet langen Ersten Weltkrieg überrascht und haben keine Vorkehrungen für die Versorgung der Bevölkerung getroffen. Massive Preiserhöhung der Lebensmittel lösen ab 1916 unter anderem in den Städten Bern und Biel Demonstrationen gegen die Teuerung und Hungerrevolten aus. Die Notlage spaltet die Gesellschaft. Ab dem Frühjahr 1918 trifft noch die aggressive spanische Grippe, die weltweit mehr Opfer kostet als der Weltkrieg, Europa und die Schweiz.

Der Bundesrat regiert in den Kriegsjahren mit undemokratischen Vollmachten. In den noch nach dem Majorzprinzip gewählten eidgenössischen Räten haben die Freisinnigen die absolute Mehrheit inne, obwohl die aufstrebende Sozialdemokratische Partei enormen Zulauf hat. Mit ihrer wachsenden Kraft und mit dem Mittel des Streiks fordert die SP Proporzwahlen und Reformen ein. Die Unruhe im Land wird noch befeuert durch die russische Oktoberrevolution von 1917. In bürgerlichen Kreisen kursierte eine Revolutionsangst. Die forsche Armeespitze entwirft ab August 1918 Pläne für einen präventiven Einsatz von Truppen in den Schweizer Städten.

Hundert Jahre danach sorgt der Landesstreik immer noch für Kontroversen. Obwohl die Geschichtswissenschaft längst die These eines von Moskau gesteuerten Revolutionsversuchs widerlegt hat, verficht die rechtsbürgerliche SVP weiterhin solches Gedankengut. Die SP und die Gewerkschaften ihrerseits feiern den Landesstreik als Erfolg, der zentralen sozialstaatlichen Fortschritten der Schweiz zum Durchbruch verholfen habe. Im Kornhausforum in Bern ist bis am 5.1.2019 eine Ausstellung über die Berner Ereignisse des Berner Streiks zu sehen.