Die Recherche

Text von Christian Brönnimann.

Die Seco-Korruptionsaffäre konnte dank einer Reihe klassischer journalistischer Methoden aufgedeckt werden. Am Anfang stand eine einfache Frage:

Wie häufig und in welchen Fällen schreibt die Bundesverwaltung grosse Aufträge nicht im Wettbewerb aus, sondern vergibt sie freihändig, das heisst unter der Hand direkt an bestimmte Lieferanten?

Die Frage stellte sich, nachdem verschiedene Fälle publik geworden waren, in welchen Verwaltungsstellen das Beschaffungsrecht teils eklatant verletzt hatten. Zur Klärung der Frage reichte der «Tages-Anzeiger» 2012 bei allen sieben Departementen ein Gesuch um Offenlegung gewisser Informationen zu den freihändigen Beschaffungen ein. Dabei stützte er sich auf das Öffentlichkeitsgesetz, das im Grundsatz besagt, dass die Bundesverwaltung alle Dokumente publik machen muss, die nicht geheim oder vertraulich sind.

In der Folge weigerte sich das Wirtschaftsdepartement (WBF), das Gesuch zu beantworten. Erst ein langwieriges Schlichtungsverfahren beim Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten führte zu folgendem Kompromiss: Auch das WBF liefert die Informationen, allerdings nur in anonymisierter Form. Die Firmennamen waren mit Platzhaltern ersetzt.

Bundesrat Johann Schneider-Ammann zur Rolle der Medien im Seco-Korruptionsfall. (Video: Keystone)

Die Listen aus dem Wirtschaftsdepartement zeigten eine Häufung der freihändigen Vergaben für IT-Beschaffungen im Bereich der Arbeitslosenversicherung. Es schien zu diesem Zeitpunkt klar, dass hier das Beschaffungsrecht massiv verletzt wurde. Gestützt auf diese Erkenntnis, titelte der «Tages-Anzeiger» am 15. Januar 2014:

«Das Seco vergab Millionen-Aufträge unter der Hand – Bei Informatik-Mandaten im Staatssekretariat für Wirtschaft gab es jahrelang kaum Wettbewerb.»

Dass hinter den widerrechtlichen Beschaffungen noch eine ganz andere Geschichte steckte, stellte sich erst in den darauffolgenden Tagen und Wochen heraus. Nach der Publikation des Artikels entstanden Kontakte zu Insidern, die über Informationen über die korrupten Vorgänge verfügten. Einem Puzzle gleich fügten sich interne Unterlagen und vertrauliche Hinweise, Internetrecherchen und Insiderwissen, Dokumente aus dem Bundesarchiv und vieles mehr zum nun vorliegenden Gesamtbild zusammen. Die Recherche wurde 2015 mit dem Zürcher Journalistenpreis ausgezeichnet.


Der Artikel im «Tages-Anzeiger»
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