Die Szene ist fast zu schön, um wahr zu sein: Alexander Tschäppät steht vor dem schmiedeisernen Tor zum Erlacherhof und posiert für den BZ-Fotografen. Eine ältere Dame spaziert durch die Lauben altstadtabwärts: «Herr Tschäppät! Si das öppe Abschiedsbilder? De isch es itz auso sowit», ruft sie, bleibt stehen und beginnt mit dem Stadtpräsidenten zu plaudern. Über Bern - und über die Chauffeure von Bernmobil, die aus ihrer Sicht eine Auszeichnung verdient hätten. Das wisse Herr Tschäppät aber schon, wendet sie sich an Fotograf und Journalistin. «Klar, Ihre Idee ist aufgenommen. Ich habe es nicht vergessen», entgegnet der Stapi. «Herr Tschäppät, wir werden sie vermissen. Alles Gute», sagt die Frau, winkt und geht weiter. Tschäppät blinzelt ein wenig in der kalten Abendluft.

Mit seinem Dasein als Rentner kokettiert er schon länger: «Von hier aus habe ich es nicht weit bis ins Altersheim», sagte Alexander Tschäppät im Jahr 2012, als er mit seiner Frau und den beiden Hunden eine Eigentumswohnung im neuen Quartier Schönberg-Ost bezog. Am Rand der Überbauung liegt ein Alterszentrum.

«Ich werde auch nicht jünger.» Diesen Satz hörte man in den letzten Jahren öfter von Tschäppät. Sei es, wenn er wieder einmal auf seinen Ruf als Frauenheld angesprochen wurde oder als er Ende 2013 wegen einer Operation an beiden Knien pausieren musste.

Tatsächlich gab es gegen Ende der Amtszeit Momente, in denen Tschäppät alt und müde wirkte: bei der x-ten Stadtratsdebatte über die Reitschule oder im von den Gegnern bissig geführten Abstimmungskampf zum Viererfeld. Nein, jünger war er sicher nicht geworden. Man spürte, dass er seine Kräfte einteilte.

Aber bei Bedarf konnte Tschäppät jederzeit aus dem Energiesparmodus heraus den Turbo zünden. Wenn er dann mit Verve seine Argumente vorbrachte, redete er noch immer jede und jeden an die Wand. Seinen rhetorischen Fähigkeiten zollen sogar seine ärgsten Kritiker Respekt. Tschäppät als Rentner? In solchen Augenblicken schwer vorstellbar.

Auch für das Volk nicht, wie eine Umfrage am Zibelemärit zeigt:

Der König von Bern

Seine Pensionierung schien Alexander Tschäppät so gut es ging zu verdrängen, als sie tatsächlich in greifbare Nähe rückte.

6. Januar 2016, Dreikönigstag, Besuch in seinem Büro: «Ich denke noch nicht an den Ruhestand. Ich setze mich bis zum Schluss ein», sagt er. Um 2017 nicht in ein Loch zu fallen, hat er schon vorgesorgt: Er gründet eine eigene Firma, das «Büro für Angelegenheiten», mit alten Weggefährten.


Auch der Politik kehrt er noch nicht den Rücken. Er bleibt Nationalrat. Sein «Chrigeli» muss sich also keine Sorgen machen, dass sie plötzlich einen gelangweilten Neu-Rentner zu Hause hat. Er werde aber sicher mehr Zeit für seine Frau, die Familie und für sich selber haben. Und natürlich für die Hunde Sera und Vento:

Bilder: Beat Mathys
Text: Mirjam Messerli
Umsetzung/Videos: Claudia Salzmann
Konzept: cla/mm

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