Tschäppäts letzte Runde

2004: Alexander Tschäppät bezieht sein Büro im Erlacherhof.

2016: Der 64-Jährige räumt das Stapi-Büro. Ein Rückblick in vier Kapiteln.

Zwölf Jahre lang war Alexander Tschäppäts Terminkalender voll. Seine persönliche Assistentin gewährt Einblick in eine ganz normale Woche: Der Stadtpräsident führt zwar im Vergleich zu anderen Mitgliedern der Regierung eine Minidirektion, hat aber praktisch täglich Repräsentationspflichten. Wahrnehmen sollte er diese Termine eigentlich alle. «Niemand versteht, weshalb der Stadtpräsident gerade an seinen Anlass nicht kommt», sagt Tschäppät.


So sah der Terminkalender in einer Augustwoche aus.

100. Geburtstage, Vernissagen, Spatenstiche, Eröffnungen, Podien, TV-Auftritte, Empfänge – da kommt ganz schön was zusammen. Tschäppät weiss um seinen Ruf als Apérokönig. «Aber ob die Leute es nun glauben oder nicht: Solche Anlässe sind Arbeit, und sie sind wichtig, um Kontakte zu pflegen.»

Dieses Networking beherrscht Tschäppät meisterhaft. So legte er den Grundstein für die Euro 08 in Bern, und so holte er 2016 die Tour de France in die Bundesstadt. Unnötig!, riefen Kritiker. Solche Grossanlässe seien bloss Geldverschwendung und nicht nachhaltig.


Tschäppät reagiert darauf, was im letzten Amtsjahr über ihn gezwitschert wurde.

Tschäppät liess sich davon nie beirren. Wenn es darum ging, Bern zu vermarkten, die Schoggiseite der Stadt zu zeigen, war er nicht zu bremsen. Tschäppät war für die einen Berns bester Botschafter, für die anderen ein Selbstdarsteller.

Oft ging er unkonventionelle Wege, gab mehr auf das Wort eines Verhandlungspartners als auf einen unterzeichneten Vertrag. Natürlich könne so etwas auch schiefgehen, sagt er. «Aber mir behagt die heutige Nullfehlerkultur nicht. Sie führt dazu, dass Menschen nichts mehr entscheiden, weil sie Angst haben, einen Fehler zu machen.»

Sein Herzensprojekt

Die Kür, die beherrscht Tschäppät. Die Kür liebt er. Etwas weniger enthusiastisch machte er sich zuweilen ans Pflichtprogramm. Und doch hat er am Ende seiner Amtszeit seine grossen Projekte über die Ziellinie gebracht. Am meisten am Herzen lag ihm das Viererfeld, zu dessen Überbauung die Berner im Juni ihren Segen gegeben haben. Im zweiten Anlauf.



Rückblende. Im November 2012, kurz vor den Wahlen. Tschäppät steht auf dem Viererfeld. Im Schnee (oben im Bild). «Beste Wohn­lage! Perfekt erschlossen! Aber man kann natürlich auch die Agglomeration mit Einfamilienhüsli vollbauen und mit zwei Autos in die Stadt pendeln!» Hinter jedem Satz hört man das Ausrufezeichen. Tschäppät ist in seinem Element. Den Spatenstich auf dem Viererfeld wird er als Alt-Stadtpräsident miterleben. Aber es wird überbaut, dieses Feld! Tschäppäts Erleichterung über diesen Entscheid war am Abstimmungssonntag mit Händen greifbar. Voller Elan stürmte er in den Erlacherhof, um das Resultat bekannt zu geben.

Was wird Pensionär Tschäppät von Stadtpräsident Tschäppäts Wirken sehen, wenn er in Bern unterwegs ist? Zum Beispiel den Bundesplatz, der früher ein Parkplatz war und heute vor allem im Sommer ein Ort der Begegnung ist. Zum Beispiel die Reitschule, zu der sich die Stadtbernerinnen und -berner fünfmal an der Urne bekannten und die in Tschäppät stets einen treuen Fürsprecher hatte.

«Lieber Alex, wir danken dir, dass du dich immer für unser Haus eingesetzt hast», sagt ein Reitschüler in einer der zahl­reichen Videobotschaften, die Tschäppäts Mitarbeitende für ihren Chef zum Abschied zusammengetragen haben.

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