Kafi-Schnaps zum Zvieri

Die Städter Danijar Hänni und Samuel Mettler haben sich über den Sommer von Bern verabschiedet.

Hier auf der Alp Berschel oberhalb von Schönried werden sie drei Monate als Neo-Sennen tätig sein.

Kafi-Schnaps, Kirschen, Nidletäfeli und Nusskuchen stehen vor Danijar Hänni und Samuel Mettler, die gerade beim Zvieri Kraft tanken. Die beiden Stadtberner sitzen auf der Veranda der Alphütte Berschel, wo sie den Sommer verbringen. Sie hüten hier nicht nur 24 Kühe und 12 Schweine, sondern halten sich auch vier Hühner, damit sie Eier haben. Und obendrauf produzieren sie Alpkäse. Doch jetzt am Nachmittag haben sie es ruhiger, da sie bereits nach drei Wochen einen guten Arbeitsrhythmus haben. So gut, dass es auch für ein Nickerchen reicht.

Nach dem Zvieri ziehen sie sich um für den Stall, um zu melken. Während über einer Stunde durchbricht der Generator die Alpruhe. Die Hühner stört es überhaupt nicht, die suchen gackernd nach etwas Fressbarem. Auch die Schweine stolpern über den trockenen Boden in Richtung Trog, als wüssten sie, dass die Schotte dann ihnen gehört.

Samuel Mettler erzählt in einer Minute, was es in ihrer Sommerbleibe alles gibt:


Seit die beiden Berner hier oben sind, hat es kaum geregnet. Im Tal ist es heiss, hier oben ist es angenehm. Einen ersten und einzigen Abend haben sie im Stübli verbracht, mit eingefeuertem Cheminée und einer Flasche Whiskey. Seither sind sie meist draussen. «Wir haben Glück, da wir eine grössere Überdachung haben als die meisten Alphütten», erklärt Hänni. Draussen wird gegessen und gekocht. Auch die Glocken, die die Kühe beim Aufzug getragen haben, hängen über dem Tisch in Reih und Glied.

Bald sind die 400 Liter Milch alle im Kessi, ein wenig behalten sie für ihre Kochexperimente wie die Nidletäfeli. Der Rest der Milch wird verarbeitet. Doch zuerst sind die Tiere dran: Die Kühe werden alle losgebunden und auf einen neuen Weidesektor rausgejagt. Dann wird gemistet. So mancher Städter müsste bei einem solchen Kraftakt nicht mehr ins Fitnesstraining. Noch ist es nicht dunkel, aber der Himmel voller Wolken, und es tröpfelt ein wenig. Hänni nutzt die Gelegenheit und springt in den Brunnen, um sich zu waschen. Der Brunnen ist bei dieser Hitze auch ihr Ersatz für die Aare, die allerdings nur Mettler wirklich vermisst.

Mettler hat schon angefangen, die Kartoffeln für die Älplermakkaronen zu rüsten, und Hänni versucht, den etwas zu lange geräucherten Speck zu schneiden. «Zu Feierabend gibt es ein Bier, aber wir trinken das ganz anders als in der Stadt. Wir arbeiten weiter, weil es ja immer was zu tun gibt. Und nehmen hie und da einen Schluck», sagt Hänni. «Hast du eigentlich heute Eier gefunden?», unterbricht Mettler. «Drei», sagt Hänni, und Mettler geht raus mit einem Futtersack, um die Hühner in den Stall zu locken.

Hänni kocht die Älplermakkaronen auf einem Gasherd, da es lediglich während der Melkzeiten Strom gibt. Der Herd steht ebenfalls draussen, gleich neben dem Plumpsklo. «Wir haben hier oben natürlich viel mehr Hunger als daheim», sagt Mettler, der spindeldürr ist. «Den Kebab haben wir noch nicht vermisst, da wir richtig gut essen. Es ist uns beiden wichtig, und wir haben auch genug Zeit zu kochen», bestätigt auch Hänni.

Was sie an Bern dennoch vermissen, mit welcher Geräuschkulisse sie hier einschlafen und was für Verdauungsprobleme sorgte, erzählen sie im Video:



Frische Sachen werden ihnen von den Bauern von Grünigens geliefert, die ihren eigenen Hof in Sichtweite haben, erkennbar mit dem Solardach unten im Tal. «Sie kommen auch des Öfteren vorbeischauen, nicht um zu kontrollieren, sondern um zu fragen, ob wir was brauchen», so Mettler.

Bald riecht es wunderbar aus dem Kochtopf. Weil ein Wind aufgezogen ist, kommt heute zum zweiten Mal das Stübli als Esszimmer zum Einsatz. Gleich nebenan schläft Mettler, er hat das Doppelbett, dafür kann er im Zimmer nicht einmal aufrecht stehen, und die Türe lässt sich auch nur einen Spaltbreit öffnen. Einen Stock darüber ist Hännis Schlafzimmer, mit einem kleinen Bett und mannshoher Decke.

Noch immer nippen sie am Bier und essen schnell. Ratzeputz bis auf den letzten Bissen putzen sie die Teller so sauber, dass man sie wieder in den Schrank stellen könnte.

Es dämmert. «Wir schlafen hier beide sehr gut. Wegen der Kuhglocken haben wir am Anfang noch mit Ohropax geschlafen», sagen sie. Die Wände seien so löchrig, dass man meinen könnte, die Kühe würden quer durchs Zimmer laufen. Daheim würden sie Töfffahrer, Trams und Vögel hören. Hier werden es heute Nacht nur der Wind in den Tannenwipfeln und die Regentropfen auf dem Dach sein. «Ich schlafe hier besser, weil ich entspannter bin. Als ich noch als Projektmanager gearbeitet habe, war es manchmal schwierig runterzufahren», gesteht Mettler. Kurz nach 21 Uhr ist Schlafenszeit.

Im nächsten Kapitel stehen die beiden Älpler nach dem ersten Frühstück im Stall. 400 Liter Milch wollen sie verarbeiten und Mutschli produzieren, doch überraschender Besuch durchkreuzt ihre Pläne.

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