Der Paradiesvogel

Bernd Schildger fordert den Ausbau des ÖVs, Generationenhäuser, Kitas und mehr Freiräume für Jugendliche.

Und er findet sich in der SVP – das ist kein Witz – am besten aufgehoben.

Grün dominiert. Auf den Fotos in seinem Wahlbooklet trägt Bernd Schildger ein grünes T-Shirt, darüber eine grüne Jacke. Auf dem Kopf einen grünen Helm, denn er sitzt auf dem Velo und fährt einem Tram davon. Die Sätze seines politischen Credos im Heftchen sind entweder in grüner Schrift auf weissem Hintergrund oder in Weiss auf grünem Hintergrund. Da ist von Begegnungszonen und neuen Velostreifen die Rede, von Freizeiteinrichtungen für Jugendliche und von ganz­tägigen Kinderbetreuungen. Zudem setzt sich der vierfache Familienvater für die Stärkung des öffentlichen Verkehrs ein, aber ohne «Monstertrams».

Er schlägt den Bau einer U-Bahn vor, die sternförmig in die Stadt führt. «Wenn es ein Land auf dieser Welt gibt, das Löcher und Tunnels bauen kann, dann ist es die Schweiz», sagt der gebürtige Deutsche. Und schliesslich soll die Stadtverwaltung aus den Häusern in der Altstadt ausziehen. So könne man Wohnungen und Freiräume für Jugendliche schaffen.

«Vernünftige Menschen»



Bernd Schildger – ein Linksgrüner? Nicht wirklich. Der 60-jährige Professor der Tiermedizin und Direktor des Tierparks Dählhölzli kandidiert für die SVP als Gemeinderat. Ob er denn geisteskrank sei, wunderten sich einige aus seinem Umfeld bei der Bekanntgabe seiner Kandidatur für die Volkspartei. «Die SVP ist eine demokratische Partei, und die SVP steht wie keine andere Partei für die Freiheit des modernen Menschen», sagt hingegen Schildger. «Im Gegensatz zu anderen Parteien steht für die SVP die Individualität weit vor dem Vorschreiben von Lebensmodellen.» Er kenne viele Partei­exponenten seit vielen Jahren, «und das sind durch die Bank weg vernünftige Menschen».

Würde Blocher auslachen

Dass Schildger als Stadtberner Gemeinderat die Linie seiner Partei vertreten wird, ist für die Wochenzeitung «Weltwoche» «kaum vorstellbar». Kandidat Schildger sagt: «Ich muss das Heu nicht auf der gleichen Bühne haben, wie andere SVPler. Innerhalb der Partei gibt es durchaus diverse politische Ansichten.» Das gehöre zur Demokratie. Es sei geradezu lächerlich, zu glauben, die Berner SVP lasse sich etwa von der zürcherischen etwas vorschreiben.

«Wenn Herr Blocher einen Befehl erteilt, würde ich laut lachen.» Anlässlich der Nominationsveranstaltung der SVP habe er Gründe genannt, weshalb man ihn nicht nominieren könne. «Erstens: Ich bin ein alter Knacker. Zweitens: Ich komme aus Deutschland. Drittens: Ich kann kein vernünftiges Französisch. Das Schlimmste aber ist, dass ich mich in Bern so wohlfühle, weil niemand einem Berner sagt, was er zu tun hat.»

Wale statt Wahlkampf

Ihm muss auch niemand vorschreiben, wie er den Wahlkampf gestaltet. «Meiner wird langweilig sein», liess er schon vor Wochen verlauten. Einen Monat vor den Wahlen ist für ihn sein Wahlkampf gelaufen. Er verkrümelt sich. Am 4. November fliegt der begeisterte Hobbyfotograf nach Argentinien, als Reisebegleiter in Südamerikas Tier- und Pflanzenwelt. Auf dem Programm stehen Naturreservate und auf Peninsula Valdes, am Atlantik, Pinguine, Seeelefanten, Orcas und Wale. «Ich habe punkto Wahlkampf einiges getan, war an diversen Podien, habe Booklets und Videos gemacht.» Er sagt: «Die permanente Selbstdarstellung liegt mir nicht, und die Wahlversprechungen, die man abgibt, sind am Wahltag doch längst wieder vergessen.»

Dass er die Selbstdarstellung nicht mag, hat der Zoodirektor allerdings selbst mehrfach widerlegt. An öffentlichen Anlässen tritt er bisweilen clownesk auf, macht wild gestikulierend Tiere nach oder lässt sich die Haare schrill färben. Und hat Bernd Schildger nicht selbst gesagt: «Auf der Argentinien-Reise werde ich den Pausenclown machen.»

«Ein Wasserträger»



«Schildger ist ein origineller Querdenker, der nicht immer auf der Parteilinie liegt, aber frischen Wind bringen würde», meint Parteikollege und Stadtrat Alexander Feuz. Für FDP-Grossrat Philippe Müller hingegen ist Schildger bloss ein ärgerlicher «Wasserträger». – «Ich weiss nicht, warum Schildger für Erich Hess den Wasserträger macht, denn jede Stimme, die Schildger für die Liste holt, kommt auch Hess zugute», sagt Müller. «Die Hard­core-SVPler werden Schildger streichen, und Hess wird Erster auf der SVP-Liste.»

«Mir geht es darum zu gewinnen, und nicht, das Wasser für Hess zu tragen», meint Bernd Schildger. Die Kandidatur sei ihm sehr ernst. Das war vor 4 Jahren allerdings noch anders: 2012 zog er seine Kandidatur in letzter Sekunde zurück. Weil wegen diffuser Zuständigkeiten damals ein Chaos im Tierpark geherrscht habe, sagt Schildger. Weil ihn Stadtpräsident Alexander Tschäppät zum Rückzug gedrängt habe, sagen andere.

Wie dem auch sei: Wird Schildger als Gemeinderat gewählt, ist er seinen Job als Tierparkdirektor los. Diesen trat er vor 19 Jahren an. Er kam aus Deutschland.

Aufgewachsen ist Schildger in Hessen. Nach einer Lehre als Elektromechaniker studierte er in Giessen Tiermedizin und praktizierte anschliessend als Zootierarzt in Frankfurt. 1997 kam er als Tierparkdirektor ins Dählhölzli nach Bern, wo er unter dem Motto «Mehr Platz für weniger Tiere» die Anzahl der Tierarten massiv reduzierte. Seit ein paar Jahren ist er Schweizer Bürger. Mitglied der SVP ist Bernd Schilder aber erst seit Anfang des ­Jahres.

Bilder: Urs Baumann
Text: Urs Wüthrich
Video: Claudia Salzmann
Umsetzung: Claudia Salzmann

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